Tuesday, August 22, 2006

Analogik

Über die Ähnlichkeit von Wissenschaft und Erzählungen


Wir wissen alle, was Biologie ist, oder Psychologie und Rattologie. Also mein Wörterbuch sagt zu Biologie: Die Wissenschaft von den Organismen. Mein österreichisches Wörterbuch schreibt zu Psychologie sehr schön: Die Wissenschaft von den seelischen Kräften.

Was ich Ratte hier grad mach, ist wohl Rattologie (Ich untersuche mich selbst ;)

Wir wissen auch, dass diese Worte von griechisch logos abstammen.

Aber was ist dann die Analogie, wissend, dass das Wort auch von logos abstammt? Und wo das schon nicht so einfach ist, warum heißt die Analyse eben so, wissend, dass das Wort auf griechisch lyein, lösen, zurückgeht? Wofür steht also das Ana-?

Wofür ana- steht, ist mir ein kleines, weiteres Rätsel. Aber Kluges Etymologisches ;) Wörterbuch führt einiges an: hinauf, zurück, gemäß.

Ana-logie? Die Lehre vom Drübersteigen? Die Lehre vom Zurück?
Wohl eher nicht.

Mein österreichisches Wörterbuch schweigt sich über Analogie aus und schreibt nur zu analog: gleichartig. Ein anderes Wörterbuch (der "Störig", ein Analogon zum "Wahrig" und zum "Duden"?) schreibt:
Analogie:
Entsprechung, sinngemäße Anwendung oder Übertragung. Siehe Analogon.

Analogon:
ähnlicher Fall; von griechisch analogos übereinstimmend, eigentlich "der Vernunft entsprechend".
Das Analogon als das der Vernunft entsprechende? Sehr schlau.
Ist das vernünftig? Ja.

Ich stell mir grad (überzeichnend) neue Werbeslogans vor:
Zurück zur Vernunft!
Wir brauchen mehr Analogie!
Kleiner Ratten-Einwurf: Was ist die Analogie der Analogie?


Nun denn,
das Rätsel, für mich, steckt in der Etymologie des griechischen Wortes "Logos". Kluge führt es auf legein zurück, das vielleicht auch mit dem deutschen legen in Zusammenhang steht (vergleiche zum Beispiel die Darlegung; Kluge legt das aber anders dar).

legein, so Kluge, hieß "zählen, berechnen, usw.". logos hieß also eher "Maß" und "Berechnung", und in einem übertragenen Sinn "Vernunft" und "Rede". Kluge macht noch eine Anmerkung, derzufolge logon auch "Verhältnis" bedeutete.

Die Analogie, so Kluge, meinte: dem Verhältnis entsprechend. Ich stelle mir vor: Die Dinge, die wir nebeneinander legen, die wir sortieren (aber das ist eine andere Geschichte).

Von legein zu legen ist es ein gewagter Sprung. Zwei Anmerkungen dazu:

Zum einen frage ich mich, worin das Zählen und Messen vor 3000 Jahren bestand. Der damals übliche Computer "Legein v0.1" bestand vermutlich aus einem Beutel mit (sich ähnlichen) Steinchen und (sich ähnlichen) Stäbchen gleicher Länge, die nebeneinander oder aneinander gelegt wurden.

Zum anderen finden sich tatsächlich auch etymologische Zusammenhänge in meinem Wörterbuch der Etymologie des Lateinischen unter den Einträgen lectus (Lagerstatt, Schlaf-, Ehe-, Leichenbett), lego, legare (eine gesetzliche Verfügung treffen) und lego, legere (auflesen, zusammenlesen, sammeln).

Bleiben wir vorerst beim Darlegen. Die Biologie ist dann also das Leben, das wir zur Untersuchung vor uns hinlegen (oder auflegen), um dann darüber (wissenschaftliche) Reden zu halten. Das steht wunderbar im Gegensatz zu den Problemen und den Projekten, die nicht sanft hingelegt und ausgebreitet werden. Sie werden (vor)geworfen und geschossen.

legein meinte aber eben auch "reden" (deshalb auch logos als die "Rede" und "Lehre"). Jetzt wird klar, warum wir "Erzählungen" haben (vergleiche auch englisch "to recount" und französisch "raconter"), und warum Wissenschaft und Gschichtldruckerei so eng beisammenliegen.

Soviel zur Analyse der Analogie.



P.S.: Unsere moderne Auffassung des Wortes Analogie ist recht jung. Die hier aufgezeigte Etymologie dient lediglich der erzählerischen Unterhaltung.

P.P.S.: Die Etymologie der Etymologie: Griechisch etymos steht für das Wahre und das Wirkliche. Die Etymologie, die Darlegung des Wahren und Wirklichen? Ich glaub's erst, wenn ich die Etymologie von etymos kenn.

P^3.S.: Auch englisch "to tell" kommt angeblich von "aufzählen"; siehe dazu die Etymologie von tell.

Literatur:
  1. Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearbeitet von Elmar Seebold. 23. Auflage, 1999.
  2. rattus rattus' blog . Für alle offensichtlichen und versteckten Paradoxien und Widersprüche.
  3. Störig: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. Stuttgart: Parkland Verlag 1990.
  4. The Online Etymology Dictionary.
  5. Walde A, Hofman J.B.: Lateinisches Etymologisches Wörterbuch. 5., unveränderte Auflage. Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag 1982.

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